Das Bestreben, ein eigenes Haus sein eigen zu nennen, und sei es noch so klein oder nur eine schmale »Scheibe« in einer unendlich langen Reihe entlang städtischer Ausfallstraßen, besteht bei den Engländern seit ewigen Zeiten.
Am liebsten wohnt und lebt man auf dem Lande: Hast du was, dann bist du was. Schon vor Jahrhunderten spielte sich das gesellschaftliche Leben auf den Landsitzen des Adels ab, weniger in der Hauptstadt London. Das Haus on the countryside erhielt dadurch eine besondere Bedeutung. Und da im Laufe der Zeit auch immer mehr Bürgerliche aufs Land zogen, weil sie es dem Adel gleich tun wollten, kam es auf verschiedenen Ebenen zu einer Annäherung, die sich nicht zuletzt im Baustil ausdrückte.
Weil der englische Mittelstand im späten 18. und im 19. Jahrhundert nicht gerade von Entbehrungen gezeichnet war, entstanden auf dem Lande sehr schöne Häuser mit anspruchsvoller Architektur, hübsch angelegten Gärten und Parks. Vor allem gab es genug Platz, sich in Distanz zum Nachbarn zu halten. Den Anwesen gab man wohlklingende Namen – eine Gepflogenheit, die sich bis heute gehalten hat und selbst bei kleinsten Cottagehäuschen gepflegt wird. »Willow Green«, »Fordshill«, »Norman Crest«, »Serenity« oder »Begonia Grove« heißen sie, oder vielleicht auch »Old Rectory« (altes Pfarrhaus) oder »Potter’s Mill«, was auf den einstigen Verwendungszweck solcher Baulichkeiten schließen lässt.
Das wohlhabende Bürgertum konnte es sich erlauben, sich wie die Aristokratie mit Muße seinen Liebhabereien zu widmen, Pferde zu halten, Parties zu geben. Viele Häuser aus dem frühen und mittleren 19. Jahrhundert weisen neben vielen anderen ein Studierzimmer, einen Raum für Besucherempfänge, einen Rauchsalon für die Herren, eine Bibliothek und natürlich mehrere Gästezimmer auf. Fast immer gab es einen drawing room – der aber nichts mit »Zeichnen« ( to draw) zu tun hat, sondern mit »Zurückziehen« ( to withdraw): Hierhin zogen sich die Ladies nach Tisch zurück. Jeder Raum verfügte über einen offenen Kamin mit eigenem Abzug, daher die zahlreichen Schornsteine auf dem Dach älterer Gebäude.
Es fällt auf, dass selbst die großartigsten Immobilien, Schlössern gleich und von herrschaftlicher Ausstrahlung, schlicht und einfach house genannt werden, allenfalls manor house (Herrensitz). Einerseits entspricht dies der in England so ausgeprägten Vorliebe für Understatement, andererseits hatten im 18. Jahrhundert nur Eigentümer eines Hauses (im Wortsinne) ein Wahlrecht. Je größer das Haus, desto mehr Steuern wurden darauf auch erhoben, und wer viel Steuern zahlte, qualifizierte sich dadurch zu einem hohen politischen Amt.
Wer ein Haus besaß, gehörte zur Gesellschaft und war berechtigt, an Lokalwahlen teilzunehmen. Dem sozial niedriger gestellten Stadtvolk blieb beides verwehrt; es wohnte nicht im eigenen Haus auf dem Lande, sondern in städtischen Mietwohnungen, zahlte kaum Steuern und hatte deshalb auch nicht viel zu sagen.
Die Förderung privaten Eigentums war noch immer das Anliegen jeder britischen Regierung der letzten fünfzig Jahre. Ein Haus gilt als die beste Altersvorsorge, deshalb gibt es in England auch keine Vermögenssteuer. Auch der Gewinn, der beim Verkauf eines Hauses erzielt wird, bleibt steuerfrei.
Wenn Sie nicht während längerer Zeiträume in England leben, sondern Ihren dortigen Standort in mehr oder weniger kurzen Abständen aufsuchen, stellen Hin- und Rückfahrt vermutlich wichtige Zeitfaktoren dar. Es ist für Sie wichtig, auf welchen Wegen Sie Ihr Domizil am besten und bequemsten ansteuern können. Spielt ein zusätzlicher An- oder Rückfahrtstag keine Rolle, dann kommt auch eine etwas abgelegenere Region (die in vieler Hinsicht von besonderem Reiz sein kann) in Betracht, natürlich erst recht für den Fall, dass Sie sich permanent dort aufhalten möchten oder dies zumindest von einen absehbaren Zeitpunkt an in Erwägung ziehen.
Bei häufigen Kurzurlauben wollen Sie nicht allzu viel Zeit auf vielbefahrenen Motorways oder verschlungenen Landstraßen dritter Ordnung zubringen. Sie möchten Ihr Domizil möglichst in wenigen Stunden erreichen; in diesem Fall wird die Nähe eines Flughafens wichtig sein.
Denn die Hin- und Rückfahrt mit dem Auto setzt voraus, dass Sie jeweils mindestens einen bis anderthalb Tage – je nach Ihrem Heimatwohnort – unterwegs sind. Zwar schleust man Sie durch den Eurotunnel in nur 40 Minuten, aber um ihn benutzen zu können, müssen Sie erst einmal Calais ansteuern. Und ausgesprochen billig war die Benutzung des » Chunnel« (Channel Tunnel) nur bei seiner Eröffnung; inzwischen kostet die Durchfahrt mindestens ebenso viel die Autofähre. Der Fährverkehr über Hoek van Holland-Harwich, Dünkirchen-Ramsgate oder Oostende-Dover ist also vermutlich günstiger. Setzen Sie einmal alle Zeit- und Kostenfaktoren (Auskunft im Reisebüro) in Relation und rechnen Sie aus, wie Sie England am besten erreichen.
Andere Faktoren, die bei der Wahl Ihres Traumobjekts eine entscheidende Rolle spielen, betreffen das landschaftliche Umfeld, Klimaverhältnisse, vielleicht bereits bestehende Freundschaften, die Sie nachbarlich weiterhin pflegen möchten, die Infrastruktur der Region, vor allem aber wohl auch die Lage auf dem Immobiliensektor.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus Leben und Arbeiten in England.